WOLF HEIDER-SAWALL
im Interview mit Conny Haas
So beschreibt Wolf Heider-Sawall sich selbst:
Ich bin ein Chirurg.
Ein Chirurg, der mit der Kamera ins Innere dringt.
Mit meiner Kamera zeige ich Dinge, die man auf den ersten Blick nicht sieht. Meine Fotos machen das Wesen eines Menschen sichtbar. Es gilt in einer einzigen Sekunde den richtigen Moment zu erkennen. Und auf den Auslöser zu drücken.
Meine Tätigkeit als freischaffender Fotograf und Fotojournalist hat mir die Möglichkeit eröffnet, die Welt zu sehen. Von München aus startend, war ich für namhafte Magazine und Persönlichkeiten in allen Kontinenten unterwegs, habe in meiner mehr als dreißigjährigen Karriere unglaublich schöne und ebenso erschreckende Dinge gesehen.
Viele berühmte Persönlichkeiten standen vor meiner Kamera, einige von ihnen konnte ich über längere Zeit begleiten. Hierbei spielte persönliche Sympathie keine Rolle. Professionalität zeigt sich darin, all diesen Menschen nahe zu kommen, nicht zu werten, nur zu beobachten. Und dann den einen Moment festzuhalten, in dem sie sich zeigen. Manchmal nur in einer einzigen Geste.
Im Fotojournalismus liegen Schönheit und Verfall immer nah beieinander. Man unterscheidet nicht, sondern stellt dar, zeigt auf. Manchmal hat man Zeit, Dinge festzuhalten, oft aber zählt die eine einzige Sekunde.
Bei meinen Auftragsarbeiten hingegen kann ich mir Zeit nehmen und mit meinen Kunden den besonderen Moment gestalten. Der Dirigent, der sich mit seinen Händen konzentriert, das Model, welches den definierten Körper dehnt, die Startup-Gründerin, welche mit Esprit ihr Produkt präsentiert.
Der große Reiz in der Fotografie liegt für mich in der Kunst, das Äußere so darzustellen, dass man hinter die Kulisse schauen kann. Dass sich der Mensch in seiner einzigartigen Persönlichkeit und Schönheit zeigt.
Mein Zuhause ist München. Mein Studio aber ist die Welt.
Dieses Statement hat mich neugierig gemacht, den Menschen Wolf Heider-Sawall kennen zu lernen und ein wenig mit ihm zu plaudern. Habt Freude beim Lesen und Betrachten einer kleinen Auswahl seiner Bilder.
Lieber Wolf, herzlichen Dank dafür, dass Du uns die Möglichkeit für dieses Interview gibst 😊
Lass uns mit der Frage starten: was hat Dich zur Fotografie geführt? Gab es einen bestimmten Auslöser, in das Thema der Bildsprache einzusteigen?
Die Liebe zu Bildern. Schon als Fünfzehnjähriger habe ich lieber die Schule geschwänzt und bin ins Kino gegangen. Klassiker der Filmgeschichte, wie Taxi Driver, Einer flog über das Kuckucksnest oder Der Pate. Natürlich stand die Story im Vordergrund und doch habe ich schon damals auf die Kameraeinstellung geachtet, auf die Art, wie der Regisseur die Stimmung einer Szene mit der Kamera sichtbar gemacht hat.
Gibt es Vorbilder, die Dich bewegen oder die Dich sogar geprägt haben?
Nein. Ich bewundere die Großen meiner Zunft wie Newton, Erwitt oder Salgado, aber mich persönlich haben die Bewegtbilder des Kinos mehr geprägt. Dennoch hatte ich merkwürdigerweise nie den Drang, Kameramann zu werden. Ich wollte die besondere Atmosphäre einer Filmsequenz in einem einzigen Foto festhalten.
Welche Bilder / Inhalte sprechen Dich am Meisten an – welches sind Deine Themenbereiche?
Menschen, Menschen, Menschen. Der Mensch an sich erzählt doch ganze Geschichten. Sein Gesicht oder eine Geste spiegelt so viel wider von dem, was ihn geprägt hat. Wenn es denn gelingt, hinter die Maske zu schauen. Das ist immer mein Ziel. In den Zeiten von Photoshop und Co. ist es keine Kunst mehr, ein schönes Portrait zu machen. Aber für mich zählt immer der Mensch dahinter. Ihn sichtbar zu machen, das treibt mich an.
Was inspiriert und motiviert Dich, auf den Auslöser zu drücken?
Das ist von Auftrag zu Auftrag unterschiedlich. Wenn ich für ein Magazin unterwegs bin, geht es um fotojournalistische Dokumentation. Also das Festhalten und Aufzeigen von Momenten der Zeitgeschichte. Hier ist also ein bestimmtes Thema der Auslöser. Wenn ich hingegen einen Portraitauftrag erhalte, beschäftige ich mich im Vorfeld mit der Person: Was macht sie, was möchte sie mit meinen Fotos zum Ausdruck bringen und auf welcher Plattform? In den Fotoredaktionen bin ich oft der „Mann für die schwierigen Fälle“, also für Menschen, die im Um- und Zugang als kompliziert gelten. Es ist für mich immer wieder spannend, auf solche Menschen zu treffen und diese Herausforderung anzunehmen. Hier hilft mir eine Mischung aus Respekt, Humor und Durchsetzungsvermögen.
Wann ist für Dich ein Foto gelungen?
Wenn ich für ein Magazin fotografiere, ist ja immer der Anspruch, dass das Foto den Text untermalt und widerspiegelt. Dazu habe ich manchmal nur Sekunden Zeit. Ist die Redaktion zufrieden, gibt es keinen Anruf. Damit ist das Foto gelungen. Bei meinen Portraitaufträgen hingegen ist es ganz einfach: Wenn der Kunde glücklich ist. Wenn der Mensch, den ich fotografiert habe, sich in seiner besten Form wiedererkennt und vielleicht sogar etwas Schönes und Besonderes in sich sieht, was er selbst so gar nicht wahrgenommen hätte, aber der Blick durch meine Linse ihm aufgezeigt hat.
Hast Du ein bestimmtes Ziel bei der Fotografie – was möchtest Du vermitteln?
Bei einer Reportage steht das Erzählen einer Geschichte im Vordergrund. Also wie im Kino, nur eben mit deutlich weniger Bildern. Bei der Portraitfotografie hingegen erzählt der einzelne Mensch eine Geschichte. Wie oft habe ich gehört, sowohl von Frauen als auch von Männern: „Ich lasse mich nicht gerne fotografieren, ich bin nicht fotogen.“ Jeder Mensch hat etwas Schönes, auch wenn er im herkömmlichen Sinne nicht als schön gilt. Das Sichtbarmachen des Charakters, der Einzigartigkeit eines Menschen, das ist es was mich antreibt. Ein Kommentator schrieb unter mein Portrait von Umberto Eco: „Tiefer kann Fotografie kaum sehen.“ Das hat mich wirklich berührt und stolz gemacht.
Vor einigen Jahren hat meine Freude am Geschichtenerzählen noch eine wunderbare, persönliche Ergänzung erfahren: meine Partnerin Susanne Graue, die als Texterin Worte und Geschichten so liebt wie ich die Fotografie. Sie hat auch den Beitrag „Über mich“ auf meiner Webpage verfasst. Wir arbeiten inzwischen auch für Aufträge zusammen und werden dies noch weiter ausbauen.
Hat die Fotografie Deinen Blickwinkel und Deine Wahrnehmung verändert?
Nicht verändert, sondern geschärft. Eigentlich betrachte ich sehr Vieles durch den Sucher – egal ob ich die Kamera dabeihabe oder nicht.
Würdest Du sagen, Du hast eine Leidenschaft zum Beruf gemacht?
Absolut. Allerdings stand der Beruf Fotograf nicht an erster Stelle in meiner Lebensplanung. Nach einem Informatikstudium, Jahren als Testredakteur einer Computerzeitschrift und als DJ, bin ich eher zufällig zur professionellen Fotografie gekommen. Ein Bildredakteur brauchte schnell ein Foto für einen Beitrag und da er meine persönliche Leidenschaft für die Fotografie kannte, bat er mich, ihm kurzfristig zu helfen. Schließlich kam ein Fotoredakteur des Focus Magazins auf mich zu. Das hat mein Leben von Grund auf verändert. Ich durfte nun durch die Welt reisen, ihre Schrecknisse und schönen Seiten, ihre besonderen Persönlichkeiten fotografisch festhalten. Ein Füllhorn an photographischen Erlebnissen und Erfahrungen, welche mich nachhaltig geprägt haben.
Hat sich deine Arbeit in den letzten Jahren verändert und wie sieht sie zukünftig aus?
Die Medienlandschaft hat sich in den letzten Jahren sehr gewandelt und damit einhergehend auch die Fotografie. Die sozialen Medien haben unseren Blick verändert, Handykameras ermöglichen jedem und jeder ein schönes Bild zu machen. Bildbearbeitungs-Apps erledigen den Rest. Auch ich beschäftige mich damit, moderne Technologie ist spannend und nicht verdammenswert. Aber eine perfekte Technologie ersetzt nicht den unverwechselbaren Blick, den schafft nur der Fotograf hinter der Kamera. Meine Auftraggeber spiegeln mir das immer wieder. Sie möchten nicht nur gut dargestellt werden, sondern vor allem unverwechselbar mit ihrer Persönlichkeit gewinnen, sei es auf ihrer Webpage, dem LinkedIn Profil oder Instagram Account. Und noch ein Satz zu den sozialen Medien: sie geben uns Fotografen die wunderbare Möglichkeit, unsere Arbeit einem großen Publikum zu zeigen, darüber darf man sich freuen und es nicht verdammen. Zukünftig möchte ich aber noch mehr Ausstellungen machen. Anfang des letzten Jahres hat Tobias Sehr von der Munich Art Gallery meine Arbeiten gezeigt, die Begleitung meiner Arbeit durch diesen engagierten Galeristen und die Gespräche mit den Besuchern vor Ort war fantastisch und ersetzt keine App. Es folgte noch Bayerns größte Kunstmesse, die Artmuc von Raiko Schwalbe, sowie der Henrik teNeues Award, für den ich zwei Bilder zur Versteigerung bereitgestellt hatte.
Sind Ausstellungen für Deine Bilder geplant – wenn ja, wo und wann?
Aktuell ist ein Beitrag von mir für die Ausstellung Foto im Wandel in der StadtHausGalerie Sonthofen vom 7.7 – 13.8.23 geplant. Ein weiteres Projekt von Susanne und mir ist es ein Buch mit Portraits, die in über 30 Jahren entstanden sind, herauszugeben.
Ein herzliches Dankeschön an Dich & Susanne für die Eindrücke, die wir durch dieses Interview gewinnen durften.
Mehr Infos zu Wolf‘s Fotografien und seiner Partnerin Susanne findet Ihr hier:
https://www.heider-sawall.com/
https://www.instagram.com/wolf_heidersawall/
https://www.facebook.com/wolf.heidersawall
https://susanne-graue.com